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Warum das Kano-Modell für die Produktgestaltung entscheidend ist – am Beispiel eines Laborgeräts

Wenn ich an die Entwicklung neuer Produkte denke, gibt es für mich kaum ein leistungsfähigeres Werkzeug als das Kano-Modell. Es ist mehr als nur eine Methode zur Priorisierung von Features – es ist eine Denkweise, die den Fokus auf das richtet, was wirklich zählt: den Kunden.


Um dies zu veranschaulichen, stelle ich mir ein Laborgerät vor, das mit präzisen Anschlüssen, klar definierten Temperaturgrenzen und geregelten Zyklenzeiten entwickelt wird. Die Grundanforderungen des Kunden sind klar formuliert, doch oft stehen dahinter unausgesprochene Bedürfnisse, die wir mit dem Kano-Modell aufdecken und priorisieren können.


Das Kano-Modell – Ein Überblick

Das Kano-Modell kategorisiert Produktmerkmale in fünf Dimensionen:

  1. Basisanforderungen: Muss-Kriterien, ohne die das Produkt nicht funktioniert.

  2. Leistungsanforderungen: Merkmale, bei denen „mehr“ auch „besser“ bedeutet.

  3. Begeisterungsanforderungen: Unerwartete Features, die Freude bereiten.

  4. Indifferente Merkmale: Funktionen, die keinen spürbaren Unterschied machen.

  5. Rückweisungsmerkmale: Features, die vom Kunden abgelehnt werden.




Diese Kategorien bieten eine klare Struktur, um Merkmale zu bewerten und zu priorisieren. Doch eines darf dabei nicht vergessen werden: Die Klassifizierung der Merkmale ist dynamisch.


Kano-Modell – Zeitliche Abhängigkeit der Merkmalskategorien


Die Klassifizierung der Merkmale des Kano-Modells verändert sich im Zeitverlauf. Was heute den Kunden noch begeistert, kann morgen für ihn schon eine explizite Erwartung sein und übermorgen bereits vorausgesetzt werden.

Ein anschauliches Beispiel aus der Automobilindustrie: Der Airbag wurde bei seiner Einführung durch Mercedes-Benz als absolutes Begeisterungsmerkmal wahrgenommen. Dieses Feature grenzte die gehobenen Modelle deutlich von der Konkurrenz ab und beeindruckte Kunden mit einem echten „Wow-Effekt“. Doch mit der Zeit boten auch andere Hersteller Airbags an, wodurch sie zu einem Leistungsmerkmal wurden – Kunden erwarteten sie zunehmend und waren bereit, für deren Vorhandensein einen höheren Preis zu zahlen. Heute sind Airbags in Fahrzeugen aller Preisklassen Basismerkmale, auf die niemand mehr verzichten möchte.


Diese Entwicklung zeigt, dass Produkte nie statisch betrachtet werden können. Ähnlich verhält es sich mit den Features unseres Laborgeräts: Eine automatische Selbstreinigung könnte heute ein Begeisterungsmerkmal sein. Doch mit der Zeit und durch technologische Fortschritte wird diese Funktion möglicherweise zu einem Leistungsmerkmal, das von allen Herstellern angeboten wird. Irgendwann könnten Kunden sie sogar als selbstverständlich voraussetzen – ein Basismerkmal, ohne das ein Gerät nicht mehr konkurrenzfähig ist.


1. Basisanforderungen – Die unsichtbaren Selbstverständlichkeiten


Basisanforderungen sind wie die Luft, die wir atmen – wir bemerken sie erst, wenn sie fehlen. Für das Laborgerät bedeutet das beispielsweise:

  • Es muss definierte Temperaturgrenzen einhalten, etwa zwischen -20°C und +120°C.

  • Alle Anschlüsse müssen präzise kompatibel mit bestehenden Laborstandards sein.

Ohne diese Eigenschaften wird das Gerät als unbrauchbar angesehen. Aber – und das ist entscheidend – niemand wird ein Lob aussprechen, wenn diese Anforderungen erfüllt werden. Sie sind selbstverständlich. Stellen wir uns vor, das Gerät könnte die Temperatur nicht stabil halten: Es würde sofort als unzuverlässig abgelehnt.


Die Lektion? Basisanforderungen sind die Grundlage jeder Produktgestaltung – aber sie allein machen noch keinen Erfolg aus.


2. Leistungsanforderungen – Mehr ist mehr


Hier betreten wir eine Ebene, auf der der Wettbewerb stattfindet. Für unser Laborgerät könnten Leistungsanforderungen wie folgt aussehen:

  • Kürzere Zykluszeiten: Zum Beispiel nur 15 Minuten Aufheizzeit bis zur gewünschten Betriebstemperatur statt der üblichen 30 Minuten.

  • Erweiterte Anwendungsbereiche: Das Gerät kann nicht Standardkolben aufnehmen, sondern auch kleine Proben in Röhrchen oder große Volumen in Beuteln.

Diese Merkmale steigern den wahrgenommenen Nutzen direkt. Kunden werden diese Verbesserungen bemerken und schätzen.


Die Kunst: Leistungsanforderungen sind nicht statisch. Ein Merkmal, das heute noch als Vorteil wahrgenommen wird, kann morgen Standard sein. Daher ist es wichtig, kontinuierlich auf Markttrends zu reagieren und die eigenen Features weiterzuentwickeln.


3. Begeisterungsanforderungen – Der Wow-Effekt


Begeisterungsmerkmale sind die verborgenen Diamanten, die den Unterschied machen. Sie sind unerwartet, aber wenn sie vorhanden sind, lösen sie echte Begeisterung aus.

  • Stellen Sie sich vor, das Laborgerät bietet eine Funktion, mit der alle relevanten Daten – wie Temperaturverläufe, Zyklenzeiten und Probendaten – automatisch in eine Cloud geladen werden. Der Nutzer kann diese in Echtzeit überwachen und für Prozessoptimierungen verwenden.

  • Oder das Gerät verfügt über eine automatische Selbstreinigungsfunktion, die nach jeder Anwendung startet und die Sterilität ohne manuellen Eingriff sicherstellt.

Solche Features sind nicht erwartet, heben das Produkt aber deutlich von der Konkurrenz ab. Doch auch hier gilt: Was heute noch begeistert, kann morgen schon zum Standard werden.


Fazit: Das Kano-Modell als dynamische Denkweise


Das Kano-Modell zwingt mich, bei der Produktgestaltung immer den Kunden im Blick zu behalten. Es zeigt mir, dass Produktmerkmale nicht nur entwickelt und priorisiert, sondern auch kontinuierlich hinterfragt werden müssen. Was heute begeistert, wird morgen erwartet – und übermorgen vorausgesetzt.


Das Kano-Modell erinnert mich daran, dass Innovation nicht nur Technik ist, sondern ein Verständnis für die zeitlichen Veränderungen von Kundenbedürfnissen. Es verbindet strategisches Denken mit Empathie – und genau das ist in einer sich ständig wandelnden Welt unbezahlbar.

 
 
 

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Katlin Heinemeyer

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